Die Macht innerer Muster

Eine alte Psycho-Weisheit besagt, dass Dinge, die sich wiederholen, meist mit einem selbst zusammenhängen. Und zwar nicht aus esoterischen Gründen. Sondern aus ganz realen, biologisch-mentalen Gründen. Denn in jedem Augenblick prasseln Millionen von Reizen auf uns ein, auch wenn uns das gar nicht klar ist: Optisches, Gerüche, Geräusche, Gefühle, Atmosphärisches. Damit wir überhaupt in der Lage sind, in dieser Welt zu navigieren, haben wir uns innere Muster angelegt. Filter, mit denen wir „entscheiden“, was überhaupt zu uns vordringt – und was nicht.

Das klassische Beispiel dafür ist: Man selbst oder jemand, die einem wichtig ist, ist schwanger: Und plötzlich sieht man überall Schwangere. Natürlich nicht, weil jetzt mehr Frauen schwanger sind, sondern weil unsere inneren Muster jetzt andere sind.

  • Was wir wahrnehmen, hängt stark von unseren Vorerfahrungen, unseren Prägungen, unseren Interessen ab
  • und von dem, was wir als sicher oder als gefährlich einschätzen: Wenn wir einmal (oder mehrfach) etwas Bedrohliches erlebt haben, werden wir künftig sicher alles sehr schnell herausfiltern was auch nur ansatzweise in diese Richtung weist

 

Warum ist es wichtig, sich mit inneren Mustern zu beschäftigen?

Es gibt ja leider enorm vieles, auf das wir keinen Einfluss haben: Das Wetter, die Politik (jedenfalls die meisten von uns), das Verhalten anderer (jedenfalls weniger, als wir oft denken). Ob eine Pandemie ausbricht oder nicht.

Aber unser eigenes Verhalten, auch unsere Bewertung dessen, was geschieht und in gewissem Maße auch unsere Wahrnehmung – das liegt grundsätzlich in unserer Hand, in unserem Verantwortungsbereich. Was natürlich nicht bedeutet, dass es einfach ist, ein inneres Muster zu verändern. Dennoch lohnt es sich, sich damit zu beschäftigen.

Ein Beispiel für die Macht eines inneren Musters

Frau Müller (natürlich heißt sie anders) hatte einen Autounfall, das „gegnerische“ Auto war ein älterer, schwarzer Mercedes. Nach ein paar Tagen geht sie wieder zur Arbeit. Wie immer, ist sie in der Mittagspause mit ihrer Kollegin Frau Meier verabredet (die ebenfalls anders heißt). Die beiden haben es sich seit einiger Zeit zur Gewohnheit gemacht, dann „um den Block zu laufen“.

Das war immer entspannend – aber jetzt ist es anders. Frau Müller ist angespannt und kann sich kaum auf das Gespräch konzentrieren. Sie starrt die ganze Zeit auf die Straße und bei jedem schwarzen Auto zuckt sie zusammen. An den folgenden Tagen findet sie Ausreden, geht nicht mehr mit Frau Meier spazieren. Als Frau Meier sie anspricht, kann sie nicht richtig erklären, was los ist und reagiert gereizt und unwirsch. Nun ist Frau Meier gekränkt und zieht sich zurück. Es entstehen immer mehr Missverständnisse und Konflikte, die sich auch im Arbeitsklima niederschlagen. Auch mit anderen Mitarbeiterinnen kommt Frau Müller nicht mehr zurecht, ganz anders als früher. Sie fühlt sich im Stich gelassen und allein. Anscheinend kann man niemandem vertrauen. Schließlich kündigte sie ohne eine neue Stelle zu haben.

Auch wenn das ein extremes Beispiel ist (aber durchaus eine, die ich in Varianten schon mehrfach gehört habe): Innere Muster, die unsere Wahrnehmungen, unsere Interpretationen des Wahrgenommen und unsere inneren und äußeren Reaktionen organisieren, haben wir alle.

Immer wieder in ganz ähnliche Situationen zu geraten oder sich „allein auf weiter Flur“ zu fühlen, ist oft ein Hinweis darauf, dass innere Muster ablaufen. Ein „Beweis“ dafür ist es aber natürlich auch nicht. Und erst recht keiner dafür, dass man „selbst schuld“ sei an dem, was passiert ist!

Aber vielleicht eine Ermutigung, sich mit den eigenen inneren Mustern auseinander zu setzen? Denn darüber haben wir eine Chance, wieder Einfluss über das Geschehen zurück zu bekommen,

 

Innere Muster und Schuld

  • NEIN. Wenn andere uns etwas antun, sind wir NICHT schuld! Diejenigen, die Unrecht tun, tragen dafür die volle Verantwortung.
  • auch dann, wenn sich bei uns etwas wiederholt!
  • auch dann, wenn möglicherweise innere Muster bei uns aktiv sind, die uns z.B. zu bestimmten Menschen hinziehen, weil etwas Unverarbeitetes in uns wirkt. Oder die uns bestimmte Situationen vermeiden lassen und wir deshalb Chancen verpassen, wie im Beispiel von Frau Müller. NICHT unsere Schuld!

 

Was tun, wenn innere Muster aktiv sind?

Innere Muster sind immer aktiv. Denn sonst wären wir in wenigen Stunden von Reizen überflutet und handlungsunfähig.

Die Frage ist, ob unsere inneren Muster oder Filter so „eingestellt“ sind, dass wir unsere Ziele und unsere Vorhaben erreichen können und sich unsere Wünsche erfüllen. Wenn wir den Eindruck gewinnen, uns selbst zu sabotieren oder uns immer wieder in einer ähnlichen, für uns unguten Situation wiederfinden: Dann kann es eine wirklich gute Idee sein, sich mit den eigenen inneren Mustern zu beschäftigen.

  • Manchmal hilft ein Brainstorming-Prozess, z.B. indem man alles aufschreibt, was einem zu den verschiedenen unguten Situationen einfällt. Es ist erstaunlich, was einem alles auffallen kann, wenn man erst einmal aufschreibt, was im eigenen Kopf so umherschwirrt.
  • Oder Sie sprechen mit einer vertrauenswürdigen Person darüber und bitten um ehrliches Feedback. Andere sehen oft leicht das, was uns selbst unsichtbar bleibt (andere Muster kann man viel leichter erkennen, als die eigenen…)
  • Auch ein Gespräch mit einer Psychotherapeutin kann natürlich eine gute Möglichkeit sein, hier weiter zu kommen. Vor allem, wenn die anderen Methoden nicht geholfen haben und/oder Sie sich mit komplizierten/alten inneren Mustern beschäftigen möchten.

 

Kann man innere Muster ändern?

Zunächst einmal: Muster (manchmal auch: Schema bzw. Schemata genannt) legen wir uns zu, ohne das bewusst zu steuern. Und zwar, wenn wir Erfahrungen häufig machen oder wenn wir sehr eindrückliche Erfahrungen machen. Im Grunde wirklich hilfreich, dann dadurch haben wir einen „inneren Autopiloten“, der uns komplexe Entscheidungen abnimmt (ist xy wichtig? Soll ich abc wahrnehmen und darauf reagieren?) und uns vor Überforderung schützt.

Aber natürlich sind unsere Muster nicht in Stein gemeißelt, sondern wie Programmierungen, die wir auch wieder ändern können. Das ist nicht einfach, aber es geht – denn so lange wir leben, werden unsere inneren Strukturen sowieso ständig umgebaut. Warum dann nicht aktiv eingreifen und dies bewusst in unserem Sinne machen?

Wenn Sie ein inneres Muster ändern wollen, müssen Sie vor allem drei Dinge tun:

  • Das Muster erkennen
  • Sich überlegen, wie Sie stattdessen mit der Situation umgehen möchten, die das Muster auslöst. Und zwar, wenn Sie ein bisschen Distanz von der Situation haben und wieder klar sehen
  • Wann immer eine Situation kommt, die das alte Muster auslöst, müssen Sie das wahrnehmen (das ist echt schwer!), das alte Muster spüren und aktiv loslassen – und die neuen Verhaltensweisen anwenden

Leicht ist das nicht, klar. Und es gibt sicherlich auch noch andere Methoden, die dabei helfen können (tatsächlich kann auch EMDR dabei eine Rolle spielen) – aber so geht die Grund-Architektur der Veränderung.

*alle Namen und Situationen sind prototypisch und frei erfunden

Photo by Patrick Hendry on Unsplash

Grafiken © claudiafrey.de

Claudia Frey
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin. Mehr ...

Sie möchten weiterlesen?

Hier finden Sie ältere Blog‑Artikel:

Kategorien

Oder suchen Sie einfach nach Stichworten: