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In der Interview-Serie „I do it my Way“ stelle ich Menschen vor, die einen nicht ganz gradlinigen Weg hinter sich und einiges zu erzählen haben. Die Serie soll Mut machen und aufzeigen, dass „Erfolg“ nicht immer stromlinienförmig aussieht.

Viel Freude damit!


Heide Liebmann ist eine ungewöhnliche Marketing-Expertin, die in meinen Augen einen ganz eigenen Weg gegangen ist.


Was ist ihr Beruf, was Ihr wichtigstes Tätigkeitsfeld heute?

Heide Liebmann1Ich bin Potenzialdetektivin und unterstütze als Coach meine Kunden in erster Linie dabei, sich selbst auf die Spur zu kommen, selbstbewusst zu ihren Stärken zu stehen und eine klare Haltung einzunehmen, auch und besonders im beruflichen Kontext. Viele meiner Kunden sind als Solo-Selbstständige unterwegs, und hier biete ich auch Unterstützung dabei, sich erfolgreich am Markt zu positionieren. Dazu gehört auch, an seinem unternehmerischen Selbstbild zu arbeiten – das liegt bei vielen im Argen.

Ich finde, Sie sind einen ungewöhnlichen privaten/beruflichen Weg gegangen. Stimmt das aus Ihrer Sicht? Was ist für Sie persönlich das Ungewöhnliche daran?

Das ist sicher richtig. Eins meiner Motti lautet „Umwege erweitern die Ortskenntnis“. Ich habe ziemlich lange gebraucht, bis ich zu dem gefunden habe, was ich heute mache, denn ich wusste lange Zeit gar nicht, was ich eigentlich wirklich will. Deshalb habe ich vieles ausprobiert, habe die ein oder andere Bauchlandung hingelegt und mich immer wieder neu orientiert. Im Nachhinein betrachtet gibt es definitiv einen roten Faden, und der heißt Kommunikation. Als ich Politikwissenschaft studierte, wollte ich ursprünglich Journalistin werden. Als diplomierte Literaturübersetzerin lag mir die Vermittlung zwischen zwei Kulturen über die Sprache am Herzen. Und als PR-Fachfrau habe ich sehr viel darüber gelernt, wie Unternehmen intern und extern kommunizieren. All diese Erfahrungen und Perspektiven sind heute Teil meiner Kompetenz und Ausstrahlung.

Aus heutiger Sicht betrachtet: Ist es der richtige Weg gewesen? Warum?

Ja, klar, ich möchte keine einzige Erfahrung missen! Ich bin heute eher ein bisschen misstrauisch gegenüber Menschen mit einem scheinbar ganz geraden Lebensweg. Sind es nicht gerade die Brüche, das scheinbare Scheitern, die Krisen, die uns aus den Routinen locken und uns neue Horizonte eröffnen? In meinem Fall war das ganz sicher so.

Gab es Zeiten in Ihrem Leben, in denen Sie gezweifelt haben? Wenn ja: Wie sahen diese Zweifel aus? Warum haben Sie gezweifelt? Und wie sind Sie damit umgegangen, was hat Ihnen besonders geholfen?

Heide Liebmann2Ich habe ganz oft gezweifelt und mit mir gehadert, und ich kann mich an Zeiten in meinem Leben und in meiner Selbstständigkeit erinnern, in denen ich am liebsten „alles hingeworfen“ hätte, weil es so mühsam und anstrengend schien. Ich habe an meinen intellektuellen Fähigkeiten gezweifelt, an meinem Durchhaltevermögen, an meiner Kompetenz als Coach und am unternehmerischen Dasein als solchem. Was mir immer geholfen hat: der Austausch mit nahe stehenden Menschen, Freunden und Familie. Und ich habe mir hin und wieder auch professionelle Unterstützung geholt. Ich finde das teilweise unverzichtbar, weil ein Außenstehender eben doch noch mal einen anderen Blick auf die eigene Situation hat und keine emotionale Bindung. Irgendwie hatte ich mit der Wahl meiner Begleiter auf Zeit immer Glück: Sie haben mir alle sehr geholfen, mich selbst anzunehmen und meinen Weg unbeirrt zu gehen. Letztlich finde ich Zweifel gut: Sich zu hinterfragen ist eine professionelle Kompetenz, gerade als Coach. Ich darf nie etwas als gegeben hinnehmen. Wahrscheinlich würde mir auch sehr schnell langweilig – ich bin ein eher stimulanzgetriebener Mensch und brauche Abwechslung, auch in Form von Irritation. Das bringt mich voran in meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung.

Wenn Sie sich in die Zeit zurückversetzen, in der Sie – sagen wir – 18 Jahre alt waren: Wie hätten Sie über Ihre heutige Situation gedacht? Hatten Sie eine Ahnung davon, geplant/gedacht/gehofft, dass Sie diesen Weg gehen würden?

Ganz sicher nicht! Ich war eine total gehemmte und unsichere 18-Jährige, die nicht wirklich einen Plan für ihr Leben hatte. Dass ich dem Beispiel meines Vaters folgen würde und einmal selbstständig arbeiten würde, war damals für mich unvorstellbar. Erst recht nicht, dass ich mal andere Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung begleiten würde. Dafür hatte ich schlicht nicht genügend Selbstbewusstsein. So groß hätte ich nicht denken können.

[Tweet „Gerade die Brüche, das scheinbare Scheitern, die Krisen locken uns aus den Routinen und eröffnen neue Horizonte. Heide Liebmann @nasenfaktor #IdoItMyWay.“]

Gab es – rückblickend gesehen – einen Moment, an dem Sie sich ganz bewusst für genau diesen Weg entschieden haben? Oder wie verlief das für Sie?

Ich habe ein ganz klares inneres Ja gespürt, als ich mich für die NLP-Ausbildung entschied. An dem Punkt war für mich klar, dass ich in die Richtung Coach und Trainer gehen wollte. Ich hatte noch keinen konkreten Plan, aber ich wollte können, was mein Coach konnte ;-).

Eine Frage, die mich immer wieder beschäftigt, lautet: Wie findet man neue, spannende Ziele, wenn ein ursprüngliches Ziel erreicht ist. Wie lautet Ihre Antwort darauf? Wie gehen Sie mit dieser Frage um?

Mir gehen die Ziele eigentlich nie aus ;-). Ich habe ständig neue Ideen zu Dienstleistungen und Produkten oder zu meinem Marketing. Mein Problem ist eher die Fokussierung, um wenigstens einen Teil davon umgesetzt zu bekommen. Und auf dem Weg dahin fallen mir schon wieder 1000 Dinge ein, die ich auch noch machen möchte. Nein, neue Ziele zu finden, ist für mich wirklich kein Thema.

Work-Life-Balance ist immer ein großes Thema für mich und für viele meiner LeserInnen. (Wie) schaffen Sie das bzw. welchen Tipp können Sie aus Ihrer Erfahrung zu dieser Herausforderung geben?

Heide Liebmann3Ehrlich gesagt mag ich diesen Begriff gar nicht, weil er suggeriert, dass es eine Trennung zwischen „Work“ und „Life“ gibt. In meinem Verständnis ist Arbeit Teil des Lebens, und es kommt daher weniger darauf an, zwei getrennte Bereiche auszubalancieren als vielmehr das ganze Leben so zu gestalten, dass es in Balance ist. Da spielen ganz viele Themen mit hinein: natürlich das Verhältnis von Arbeit und Freizeit insgesamt – damit haben ganz viele Selbstständige oft ein Problem, weil sie ihre Arbeit ja lieben. Deshalb muss es auch darum gehen, sich seine Arbeit so zu gestalten, dass sie einem angemessenen individuellen Rhythmus folgt. Und wir müssen uns so organisieren, dass auch der Körper zu seinem Recht kommt. Das ist derzeit eins meiner Lieblingsthemen und ich fürchte, ich habe da einen beinahe missionarischen Eifer entwickelt :-). Seit ich mir Anfang 20 eine chronische Erkrankung „einfing“, habe ich gelernt, dass ich auf mich achten muss und vielleicht nicht ganz so leistungsfähig bin wie ganz gesunde Menschen. Andererseits habe ich versucht, kein „krankes“ Selbstbild zu kultivieren und ein ganz normales Leben zu führen. Was ich von daher schon immer gut konnte, war ein gutes Pausenmanagement. Ich hatte aber deutliche Schwächen beim Thema Bewegung. Sport hat mich nie besonders gereizt. Nicht zuletzt durch einige meiner Kunden weiß ich heute, wie unglaublich wichtig Bewegung ist, um gesund zu bleiben oder jedenfalls die Wahrscheinlichkeit dafür zu erhöhen. Ich bin sehr interessiert an neuesten Forschungsergebnissen dazu und halte mich dazu immer auf dem Laufenden. Was mich dann richtig in Bewegung gebracht hat, war eine ganz zentrale Einsicht: Ich kann als Coach nicht auf Dauer meinen Klienten erzählen, sie sollten besser auf sich achten, wenn ich das selbst nicht vorlebe. Da bekomme ich ein Glaubwürdigkeitsproblem, und da Glaubwürdigkeit für mich zu den höchsten Werten zählt, war klar, was zu tun war. Inzwischen fällt es mir richtig leicht, mich zu mehr Bewegung zu motivieren. Seit rund 3 Jahren jogge ich mehrmals wöchentlich und praktiziere Körperarbeit wie Qi Gong oder Yoga.

Mein Tipp wäre also: Fragen Sie sich, was Ihre tiefste Motivation ist, um besser für sich zu sorgen, wie immer das in Ihrem speziellen Fall auch aussehen mag. Geben Sie sich nicht mit der ersten Antwort zufrieden, die Ihnen einfällt, sondern fragen Sie weiter: Und wenn ich das erreicht habe, was bedeutet das für mich? Stellen Sie sich diese Frage, bis Ihnen wirklich nichts mehr einfällt. An dem Punkt haben Sie wahrscheinlich die zentrale Antwort gefunden darauf, was sie wirklich, wirklich motiviert.

Haben Sie einen Tipp für jemanden, der an einem Punkt im Leben steht, an dem er/sie nicht genau weiß, wie es weitergehen soll?

Wenn das im beruflichen Kontext passiert, sollte man sich immer fragen: Was hat mir bisher besonders viel Freude gemacht und was kann ich besonders gut? Das gibt einem gute Anhaltspunkte bei der Suche nach einer neuen beruflichen Orientierung. Aber solche Fragen stellen sich ja auch in Krisen anderer Art: Jemand hat eine Krankheit zu verkraften, sich von seinem Partner getrennt oder eine geliebte Person verloren. Da fühlt man sich oft so hilflos und ausgeliefert und hat gar keinen Zugriff mehr auf seine Stärken. Wenn dann auch Freunde und Familie nicht mehr helfen können, empfehle ich wirklich, auch den Gang zum Therapeuten oder Coach mal in Erwägung zu ziehen. Es ist ja legitim, sich Hilfe zu holen. Wenn ich mir einen Arm gebrochen habe, denke ich auch nicht darüber nach, oder?

Gibt es noch etwas, das Ihnen in diesem Zusammenhang wichtig ist?

„I do it my way“ ist ein wunderbares Motto, finde ich. Um seinen Weg wirklich zu gehen, braucht es Mut. Viele Menschen lassen sich sehr von ihren Ängsten leiten und trauen sich zu wenig zu, obwohl die innere Sehnsucht, seine wahre Größe zu leben, in jedem von uns steckt. Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen erkennen, dass die Angst in Wahrheit ein Wegweiser ist. Meiner Erfahrung nach schrumpft die Angst, je näher wir an sie herangehen. Wenn wir uns der Herausforderung stellen, ist das immer mit einem Wachstumsschritt verbunden. Ich sehe meine Aufgabe als Coach vor allem auch darin, Menschen zu ermutigen und zu bestärken. Die Welt wäre ganz sicher ein besserer Ort, wenn wir alle weniger Angst hätten und mutiger wären, für uns einzustehen.

[Tweet „Umwege erweitern die Ortskenntnis. Heide Liebmann @nasenfaktor #IdoItMyWay.“]Alle, die gerne über diesen Artikel twittern möchten, können gerne einfach auf dieses Kästchen klicken (jedenfalls wenn man twittert). Aber natürlich kann man Heide Liebmann  an verschiedenen Orten im Netz treffen. Nämlich wo?

Hier bin ich im Netz zu finden:

www.heide-liebmann.de

– www.heide-liebmann.de/blog

– https://www.facebook.com/potenzialdetektivin

– https://twitter.com/nasenfaktor

Fotos: Beate Knappe

Claudia Frey
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin. Mehr ...

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