Zumindest die Rahmenbedingungen. Denn ab 1. April gelten die neuen „Psychotherapierichtlinien“ (hier im Detail nachzulesen auf der Website der KV Baden-Württemberg).

 

 

Das Ziel dieser „Strukturreform“

ist war löblich, ich kann das aus ganzem Herzen unterstützen:

Der Zugang zur Psychotherapie soll für PatientInnen erleichtert werden, mehr Plätze sollen angeboten werden. Der sehr wichtige und richtige Hintergrund ist, dass man die faktische Unterversorgung an Psychotherapie mit oft monatelangen Wartezeiten auf einen Therapieplatz beenden möchte.

Deshalb werden wir Psychotherapeuten verpflichtet, jede Woche mehrere Stunden telefonische Sprechzeit anzubieten, in der wir persönlich oder jemand, den wir dafür an- abstellen, ans Telefon geht. Allerdings soll das ausdrücklich nur dazu dienen, Termine zu vereinbaren und nicht etwa, telefonisch zu beraten.

Für die Beratung soll nun die neu geschaffene

„Psychotherapeutische Sprechstunde“

da sein, die nun alle Psychotherapeuten zwei Stunden lang jede Woche anbieten müssen.

Ich sehe allerdings nicht,  wie diese beiden neuen Vorschriften (Telefonzeit und Sprechstunde) die Therapieplatz-Situation verbessern können.

Ich bekomme jeden Tag etwa 10 Anfragen nach Psychotherapie und kann 1-2x im Monat einen Platz vergeben. Wieso soll sich das verbessern, wenn ich 3-4 Stunden pro Woche nicht therapeutisch (oder immerhin bürokratische Dinge ab-) arbeiten kann, weil ich am Telefon sitze? Das Argument, ich könne ja Büroarbeiten verrichten, während ich auf Anrufe warte, ist übrigens kein besonders Gutes: Sobald ich mein Telefon einstelle, klingelt es ununterbrochen. Dabei kann ich nicht arbeiten, weder therapeutisch noch am Schreibtisch. Also muss ich jemanden einstellen. Wofür? Um den Anrufenden mitzuteilen, dass ich keine Plätze frei habe. Prima.

Oder um einen Termin für eine Sprechstunde zu vereinbaren. In der ich dann Ratsuchende darüber beraten soll, ob Psychotherapie sinnvoll für sie ist oder nicht. Ich kann mir vorstellen, dass das für manche Menschen wichtig und hilfreich ist und sich manchmal schon in dieser Sprechstunde ein Problem lösen lässt. Ich frage mich nur, was passiert, wenn ich dazu raten muss, eine Psychotherapie zu machen – aber selbst nun noch weniger Plätze als zuvor anbieten kann, weil ja schon die Telefonsprechzeit Zeit frisst, die ich nicht mehr verteilen kann und außerdem auch an diesen beiden Stunden Sprechzeit pro Woche nun keine Therapie mehr stattfinden kann.

Darüber hinaus soll nun eine „Akutbehandlung“ möglich sein, so dass man PatientInnen, die sofort Unterstützung brauchen, bis zu 12  Sitzungen sofort anbieten kann. Auch das sehe ich kritisch. Denn genauso habe ich das bisher immer gehandhabt: Wenn ich ein Erstgespräch geführt habe (das ich bisher nur angeboten habe, wenn ich einen Platz zu vergeben hatte) und einen dringenden Handlungsbedarf gesehen habe (sehr oft), habe ich direkt einen Therapieplatz angeboten.

Das wird nun also seltener möglich sein, weil Plätze durch Telefonzeiten und Sprechstundenzeiten blockiert sind.

Was soll ich den Menschen sagen, die dringend einen Platz brauchen, den ich ihnen aber aus Zeitgründen nicht anbieten kann? Die sollen sich an die „Terminservicestelle“ der KV wenden. In der Hoffnung, dass sich dort ein Psychotherapeut meldet, der Däumchen dreht (ich kenne keinen).

Übrigens konnte ich bisher „akute Behandlungsbedürftigkeit“ mit 25 Sitzungen behandeln, künftig nur mit 12. Die kann man zwar nochmal um 12 verlängern – aber damit ist erstens trotzdem eine Stunde verloren, außerdem ist der bürokratische Aufwand höher, was wiederum dazu führt, weniger Patienten behandeln zu können. Traurig, aber wahr.

Natürlich gibt es auch jede Menge neuer Formulare, in die wir uns einarbeiten müssen, wobei das vermutlich das geringste Problem sein wird.  Übrigens ist die Finanzierung der neuen Bedingungen bisher noch völlig unklar (2 Wochen vor Beginn) – wird z.B. die vorgeschriebene Telefonzeit vergütet, so dass ich überhaupt jemanden anstellen könnte, der ankommende Anrufe entgegennehmen kann (so wie das vorgeschlagen wird)? Wir werden sehen.

Derzeit wird von unseren Berufsverbänden die Parole ausgegeben, dass bestimmt auch dieses Mal nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Vermutlich wird das stimmen. Hoffentlich.

Claudia Frey
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin. Mehr ...

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